Freiheit
Es
stand auf der Koppel, wie ich schon öfter Pferde dort hatte stehen sehen. Ich
weiß nicht, warum ich stehen blieb. Etwas war anders.
Eine
junge Frau wollte aufsteigen. Das Pferd ließ es nicht zu. Die Besitzerin redete
beruhigend auf es ein, streichelte es am Kopf. Nichts zu machen. Ein kleiner,
quirliger Hund rannte unentwegt um das Pferd herum und bellte dazu ein wenig.
Wie um ihm Mut zu machen. Ohne Erfolg.
So
ging das eine ganze Weile. Dann beschloss man wohl, die junge Frau solle das
Pferd erstmal nur am Zügel über die Koppel führen. In Begleitung der
Besitzerin. Immer im Kreis. Bald wurde es mir langweilig, und ich ging.
Beim
nächsten Mal, als ich es sah, ging ich spazieren. Auch das Pferd ging
spazieren. Wieder in Begleitung der beiden Frauen. Wieder wurde es am Zügel
geführt. Ich sah seine schöne ruhige Scheckung. Als hätte man ihm ein edles
weißes Tuch um den Hals und auf den Rücken gelegt. Ansonsten war es
dunkelbraun.
Wochen
später saß ich auf einer Wiese, als sich zwei Reiterinnen näherten. Im Schritt.
Ich erkannte das Pferd. Auch der kleine quirlige Hund war dabei. Als das Pferd
mich sah, scheute es. „Da sitzt doch nur eine Frau", meinte die Besitzerin
belustigt. „Ja, aber beim letzten Mal, als wir hier vorbeikamen, saß sie nicht da", entgegnete ihre
Begleiterin hellsichtig.
Ich
verstand das Pferd. Seine Empfindsamkeit.
Beim
Einschlafen stellte ich mir vor, wie es Vertrauen fasste. Wie es trabte, wie es
über die Felder galoppierte. Mit seiner Besitzerin auf dem Rücken. Ohne Sattel.
Ganz ohne Angst.
(eine meiner Kurzgeschichten aus der Anthologie
"Lyrik und Prosa unserer Zeit", Bd. 27,
Karin Fischer Verlag, Aachen, 2018)
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